Die antiken Architekturfragmente aus Tavium/ Büyüknefes (Provinz Yozgat, TR)
Institutsinternes Projekt (2002-2004)
Projektleitung: Gerda Schwarz
Mitarbeiter:innen:
Eva Christof
Gabriele Koiner
Alexandra Puhm
Das bei den Oberflächenbegehungen erstmals dokumentierte Steinmaterial (ca. 800 Objekte) kann in drei Denkmälerkategorien gegliedert werden: Architekturfragmente, Grabdenkmäler und landwirtschaftliche Geräte (Mühlen und Pressen).
Die Architekturreste weisen auf Großbauten der frühen Kaiserzeit bis in die mittelbyzantinische Zeit. Der Schwerpunkt liegt nach den bisherigen Forschungen im 2./3. Jh. n. Chr. und im 5./6. Jh. n. Chr. Das kaiserzeitliche Material bietet eine breite Streuung von allen Teilen monumentaler Gebäude, wie Säulenbasen, Säulen, Kapitelle, Architrave, Friese, Gesimsblöcke, Schwellen und Türrahmen sowie glatte und bossierte Quader. Zahlreiche spätantike/frühbyzantinische Architekturteile, wie Säulenbasen, Kapitelle, Konsolen, Kämpfer, Templonbestandteile, zeugen von der Existenz mehrerer Kirchenbauten. Anhand der gut zu datierenden, mitunter sehr qualitätvollen Marmorkapitelle ergeben sich Schwerpunkte für die mittlere Kaiserzeit und das 5. und 6. Jh. n. Chr.
Ein hellenistischer kolossaler marmorner Grablöwe aus einem Tumulus westlich der Stadt ist der Hinweis auf eine überaus vermögende Elite in der Stadt. Auf den die Landschaft prägenden Tumuli standen Phallussteine, von denen zahlreiche gefunden wurden. Ein hellenistisches Totenmahlrelief von einem Fundort außerhalb der Stadt könnte eine bisher unbekannte Nekropole anzeigen. Totenmahlreliefs, Grabstelen, Türsteine und Sarkophagfragmente zeigen ein weites Spektrum an römerzeitlichen Grabdenkmälern. An den Rändern der Stadt finden sich häufig Felsgräber in der gebirgigen Landschaft. Besonders stark vertreten sind Inschriftstelen (Grabsteine) aus spätantik-frühbyzantinischer Zeit.
Mit der Dokumentation bisher völlig unbeachteter Teile von Mühlen und Pressen wird eine wichtige Quelle zur antiken Wirtschaftsgeschichte Zentralanatoliens erschlossen. Diese Fundgattung wurde im Rahmen einer Dissertation von Mag. Roland Trabe (Klagenfurt) bearbeitet.
Tavium International Survey Project
In Vorbereitung einer Grabung fanden im Rahmen des Tavium International Survey Project unter der Leitung von Karl Strobel, Universität Klagenfurt in der Kampagne 2009 (27.7. – 3.8.2009; Mitglieder des ehemaligen Institutes für Archäologie der Universität Graz: Peter Scherrer, Gabriele Koiner, Ute Lohner-Urban) folgende Aktivitäten statt:
- Begehungen im Stadtgebiet und am Zeǧreg Tepe
- Luftaufnahmen des Zeǧreg Tepe am 31.7.2009 durch die Firma Air Studyo/Antalya
- Überprüfen bereits aufgenommener Steinfragmente im Ortsgebiet von Büyüknefes
- Inventarisierung des Depotbestandes (Glas, Stein, Metall) und Fotografieren ausgewählter Fundgruppen (Keramik, Stein)
- Die Begehungen wurden mithilfe eines Geologgers (Leihgabe TU Graz, Institut für Informatik) durchgeführt. Dessen Daten wurden nach der Rückkehr in Graz mit den vor Ort aufgenommenen Fotos von Christian Safran, Institut für Informatik, TU Graz synchronisiert.
Tavium/Tawinija International Research Project
Von 9.4. bis 7.5. 2011 war eine Gruppe von Studierenden vom ehemaligen Institut für Archäologie der Universität Graz unter der Projektleitung von Ute Lohner-Urban in der zentralanatolischen Provinz Yozgat in der Türkei im Rahmen des Tavium/Tawinija International Research Project, um die Untersuchungen der antiken Stadt Tavium/Tawinija weiterzuführen. Schwerpunkt der damaligen Kampagne 2011 war die Fundaufnahme (Keramikscherben, Metallfunde, etc.) im Museum in Yozgat.
Von 1997 bis 2008 fanden im gesamten antiken Stadtgebiet von Tavium Surveys statt, die eine große Menge an Keramikfunden, Metallfunden, Münzen, Marmorabsplitte etc. erbrachten. Das Ziel dieser Forschungskampagne war es, die große Menge an Keramik zu sortieren und zeitlich einzuteilen, um genauere Aussagen über die Siedlungsgeschichte treffen zu können.
Aufgrund des hohen und repräsentativen Anteils an Keramik war der Platz bereits in prähistorischer Zeit (ab dem 4. Jts. v. Chr.) dicht bewohnt. Vor allem aus hethitischer Zeit gibt es aus dem nur 30 km entfernt liegenden Hattuša Nachrichten über die Bedeutung von Tawinija, was durch Keramikfunde aus dieser Periode bestätigt werden kann. Ein weiterer Höhepunkt der Stadt zeichnet sich schließlich ab hellenistischer Zeit ab. Aus dieser Zeit im 3./2. Jh. v. Chr. sind monumentale Steinskulpturen bekannt (Löwe), und auch das keramische Fundmaterial weist auf Importe aus dem gesamten Mittelmeergebiet. Außerdem wurde in Tavium auch die sogenannte „galatische Keramik“, ein teilweise sehr kunstvoll produziertes Tafelgeschirr hergestellt, das wiederum an weite Teile Anatoliens bis an die Küste Kleinasiens verhandelt wurde. Einen Höhepunkt hatte die Stadt in römischer Zeit im 2. und 3. Jh. n. Chr. Aus dieser Zeit stammt auch seine größte Ausdehnung von bis zu 150 ha.
Ein großes, dem Zeus Tavianos geweihtes Heiligtum ist literarisch überliefert und wird auf dem größeren der drei Siedlungshügel, dem Zeǧreg Tepe vermutet. In der Landschaft verstreute Architektursteine (Säulen, Kassettendecken, Gesimse) geben noch Zeugnis über die Monumentalität der römischen Stadt Tavium. Aus dieser Zeit stammen auch die meisten Funde, darunter sehr viele lokal produzierte, rot glänzende Keramikscherben – sogenannte Red Slip Ware, Terrakotten und Metallfunde. Aus byzantinischer Zeit – Tavium war bis in das 12. Jh. Bischofssitz – sind mindestens 3 Kirchen bezeugt. Außerdem stammen kunstvolle keramische Platten und Glasarmreifen aus dieser Periode. Neben den archäologischen Forschungen hatten wir auch Gelegenheit, den Alltag der dort lebenden Menschen zu erleben. Das Dorf Büyüknefes, das unmittelbar an die antike Stadt angrenzt, wie auch einige weitere umliegende Dörfer gingen vor ca. 150 Jahren aus einem turkmenischen Nomadenlager hervor. Die bäuerliche Dorfgemeinschaft lebt noch immer von Viehzucht und Ackerbau, wobei die karge Landschaft und die Höhe (1300–1400 m) die Lebensbedingungen erschweren.