Die Landschaft Galatien wie die gesamte Region des östlichen Zentralanatolien führt gegenüber anderen Landschaften wie Ionien, Karien, Pisidien und Kilikien mit ihren bedeutenden türkischen wie internationalen großen Grabungsorten ein vernachlässigtes archäologisches Dasein. Das Projekt kann durch die Untersuchung und stilistische Einordnung des vor Ort dokumentierten Materials nicht nur Aufschlüsse über die Besiedlung eines von vorgeschichtlicher bis in frühbyzantinische Zeit genutzten und in den Schriftquellen seit althethitischer Zeit genannten, bedeutenden Siedlungsplatzes geben, sondern bedeutet darüber hinaus archäologische Grundlagenforschung für die gesamte Region der antiken Landschaft Galatien wie für den gesamten zentralanatolischen Raum.
Die seit dem 19. Jh. betriebenen vor allem historischen, geographisch-topographischen und epigraphisch ausgerichteten, jedoch kaum archäologischen Untersuchungen in Galatien betreffen in erster Linie die römische Provinzhauptstadt Ankyra sowie Pessinus. Das Gebiet von Tavium wurde von den Forschern des 19. Jhs., unter ihnen der berühmte W. J. Hamilton, bereist, die im Rahmen ihrer Reisedokumentation Informationen über Funde und Ruinen der Stadt aufzeichneten. Das größte Interesse bestand an der Dokumentation der Inschriften. Im 20. Jh. standen ebenfalls geographisch-topographische Forschungen im Vordergrund.
Karl Strobel (Alpen-Adria Universität Klagenfurt) begann Anfang der Neunziger Jahre mit der Untersuchung des Gebietes und führte seit 1997 gemeinsam mit Christoph Gerber (Universität Heidelberg) Surveys in der Provinz durch. Zusätzlich wurde im Rahmen dieser Surveys das Stadtgelände von Tavium von Studierenden der Fachhochschule Mainz vermessen und von Angehörigen der Universität Ankara geophysikalisch prospektiert. Die Surveys der Jahre 1998 bis 2004 galten u.a. der Architekturaufnahme in Büyüknefes und den umliegenden Dörfern. Die Objekte sind meist in unverputzten Wohn- und Wirtschaftsgebäuden verbaut, dadurch deutlich sichtbar. In anderen Fällen sind sie auf Friedhöfen oder bei Brunnenhäusern wiederverwertet bzw. liegen sie im freien Feld. Die zahlreichen Architekturfragmente wurden vor Ort vermessen, fotografiert und gezeichnet. Im Jahre 2009 übernahm die Universität Graz das Surveyprojekt. Ein Ansuchen um eine Grabungsgenehmigung scheiterte im Jahre 2012.
Das antike Tavium, das Tawinija der altanatolischen Quellen, liegt in Zentralanatolien, etwa 200 km östlich von Ankara und etwa 30 km westlich der Provinzhauptstadt Yozgat. Tavium war der traditionelle Zentralort der landwirtschaftlich reichen Region des mittleren Delice Irmak, des antiken Kappadox. Die Stadt, die seit dem 4. Jt. besiedelt war, erlebte in altanatolisch-hethitischer Zeit neben der nur 20 km entfernten hethitischen Reichshauptstadt Hattuša eine erste Blüte. Tavium war in hellenistischer Zeit eine der drei befestigten Siedlungen der Trokmer (Strabo 12,5,1) und Teil des Reiches des Amyntas, das im Jahr 25/24 v. Chr. von Rom annektiert und gemeinsam mit dem Gebiet von Pessinus und Ankyra zur Provinz Galatien geschlagen wurde. Im Jahre 21 v. Chr. wurde Tavium eine autonome Polis. Aus kaiserzeitlichen literarischen und numismatischen Quellen können der Kult des Zeus Tavianos und die Verehrung von Apollo, Hygieiea und Athena nachgewiesen werden. Das Heiligtum des Zeus Tavianos war bereits in vorrömischer Zeit von überregionaler Bedeutung.
Die Etablierung einer christlichen Gemeinde machte Tavium zum Schauplatz von Martyrien. In den Märtyrerlegenden sind ein Gymnasium und das dazugehörende Bad, Tempel für Zeus und Asklepios, ein Märtyrergrab, eine Kirche und ein bischöflicher Wohnsitz bezeugt. Das Bistum von Tavium ist seit dem Konzil von Nikaia 325 n. Chr. bis ins 12. Jh. belegt, als durch das Vordringen des islamisch-türkischen Machtbereichs mit dem Zusammenbruch der Siedlungsstrukturen der Stadt Tavium zu rechnen ist.
Das Stadtgebiet erstreckt sich auf einer ausgedehnten Hochlandfläche über ein Areal von 150 Hektar. Um den Zeǧreg Tepe als Mittelpunkt gruppierten sich die Stadtbereiche der West-, der Ost-, der Nord- und der Hangstadt und die Südstadt mit den Burghügeln Büyükkale und Küçükkale. Östlich und westlich des Stadtgebietes sind ausgedehnte Nekropolen sowie zahlreiche Tumuli zu finden.
Seine Bedeutung verdankte Tavium nicht zuletzt dem Umstand, dass es praktisch in seiner gesamten Besiedlungsgeschichte ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt war: Im Westen führten Straßen nach Ankyra, im Nordosten nach Amaseia, Neokaisareia und Komana Pontike, im Osten nach Sebasteia, im Südosten nach Kaisareia.
Das heutige, ca. 150 Wohnhäuser umfassende Dorf Büyüknefes grenzt ohne Überschneidung unmittelbar östlich an das Stadtgebiet an. Das Stadtgelände wurde nicht modern überbaut. Hier haben die Einwohner von Büyüknefes ihre Gärten. Durch die landwirtschaftliche Nutzung kommen immer wieder außerordentliche Architekturteile bzw. eine monumentale Pflasterung zutage, die auf einstige Repräsentativbauten öffentlichen Charakters hinweisen. Aufrechtstehende Gebäude sind heute keine mehr sichtbar. Ein Teil der Stadtmauer sowie das Theater treten als auffällige Geländemarken hervor.